Erstveröffentlichung: SanitÀtshaus Aktuell / Artikelbild: Konstantin Eulenberg
FĂŒr Menschen mit einer Behinderung sind Ărzte, SanitĂ€tshĂ€user und Therapeuten wichtige Personen, um trotz körperlicher EinschrĂ€nkung mit Genuss am Leben teilnehmen zu können. Das SANITĂTSHAUS AKTUELL Magazin berichtet fĂŒr Sie, wie dies in der Praxis aussieht.
Von Michi Jo Standl
In Deutschland leben rund 4,6 Millionen Menschen mit einem körperlichen Handicap. Dazu zĂ€hlen unter anderem Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, denen Beine oder Arme fehlen und Blinde. Ein Netzwerk aus Ărzten, SanitĂ€tshĂ€usern, Therapeuten und anderen Experten sorgt mit Fachwissen und modernster Technik dafĂŒr, dass diese Menschen zurĂŒck in einen lebenswerten Alltag gelangen. In Deutschland gibt es gut 1.100 Vorsorge-und Rehabilitationseinrichtungen. Diese haben die Aufgabe, die LeistungsfĂ€higkeit der Patienten wiederherzustellen und ihnen zu ermöglichen, aufs Neue am sozialen Leben teilzunehmen, wie Dr. Klaus Herz, Chefarzt der Fachklinik St. Hedwig, im saarlĂ€ndischen Illingen erklĂ€rt.
Intensives Therapieprogramm
Nachdem ein Patient in eine Reha-Einrichtung verlegt wurde, steht ein intensives Therapieprogramm an, das meist mehrere Wochen dauert. Zusammen mit SanitĂ€tshĂ€usern, der Patient hat dabei die freie Wahl, und den KostentrĂ€gern werden die notwendigen Hilfsmittel angepasst. Die Rehabilitation baut auf die MaĂnahmen der KrankenhĂ€user auf. âDie MaĂnahmen der Akutkliniken werden immer besserâ, sieht der 59-jĂ€hrige Mediziner die Zusammenarbeit als wichtigen Faktor im Heilungs- und Inklusionsprozess.
SanitÀtshÀuser zwischen Technik und Trost
Die reha teams der SanitĂ€tshĂ€user sind fĂŒr die Beratung, Auslieferung und Einweisung der notwendigen Hilfsmittel, wie RollstĂŒhle, Treppensteiger oder Pflegebetten, zustĂ€ndig. Nachdem verschiedene Hilfsmittel ausprobiert wurden, wird vom Arzt eine Verordnung oder ein Rezept ausgestellt. âDie Beratung der SanitĂ€tshĂ€user ist wichtig, da zum Beispiel die Art des Rollstuhles vom Krankheitsbild abhĂ€ngig istâ, erklĂ€rt Patrick Schulz, OrthopĂ€die-Mechaniker und GeschĂ€ftsfĂŒhrer des SanitĂ€tshauses Lattrich in Neunkichen im Saarland. âEs gibt die Standard-RollstĂŒhle in verschiedenen Breiten und Höhen. Bei einer QuerschnittslĂ€hmung zum Beispiel ist es aber notwendig, dass der Rollstuhl passgenau angefertigt wirdâ, fĂ€hrt Jörg Lattrich, ebenfalls GeschĂ€ftsfĂŒhrer des Unternehmens, fort. Nach der Beratung und mit der Verordnung wird ein Kostenvoranschlag fĂŒr die Krankenkasse erstellt und von dieser gegebenenfalls genehmigt. Auch fĂŒr den laufenden Service, wie nachtrĂ€gliche Einstellungen, Ănderungen oder Reparaturen, GeschĂ€ftsfĂŒhrer, OrthopĂ€die-Mechaniker und ausgewiesene reha team-Experten im Doppelpack: Patrick Schulz und Jörg Lattrich vom SanitĂ€tshaus Lattrich stehen ihren Kunden bei allen, auch kniffligen Fragen rund um Hilfsmittel, wie RollstĂŒhle, Treppensteiger oder Pflegebetten, zur VerfĂŒgung. ist gesorgt. Lattrich fĂ€hrt fort: âDas ist das, was einen Fachbetrieb vor Ort von Onlineanbietern unterscheidet.â
FingerspitzengefĂŒhl ist gefragt
Die beiden wissen aber auch, dass es im Umgang mit den Patienten nicht nur um Technik und BĂŒrokratie geht. Menschen, die im Krankenhaus erfahren haben, dass sie zum Beispiel nie mehr gehen können, sind oft in einer schwierigen psychischen Verfassung. Umso mehr muss der Reha-Techniker beim ersten Kontakt in der Klinik mit FingerspitzengefĂŒhl vorgehen. âFĂŒr den Beruf ist nicht jeder geeignetâ, erzĂ€hlen die beiden GeschĂ€ftsfĂŒhrer. âWir hatten eine Mitarbeiterin, die uns leider verlassen hat, da sie mit den Schicksalen der Patienten nicht zurecht gekommen istâ, so Lattrich.
TrÀume leben trotz Behinderung
Viele betroffene Menschen tun sich schwer, in ein soziales Umfeld zu finden. Aber manchen gelingt doch das fĂŒr AuĂenstehende schier Unglaubliche. Sie schaffen etwas, fĂŒr das sie ohne Behinderung vielleicht gar keinen Ansporn gehabt hĂ€tten. Einer von denen, die ihren Traum leben, ist der Aschaffenburger Michael Amtmann. Der heute 65-jĂ€hrige ist im Alter von fĂŒnf Jahren an KinderlĂ€hmung erkrankt, von der Körpermitte abwĂ€rts vollstĂ€ndig gelĂ€hmt und inzwischen groĂteils auf den Rollstuhl angewiesen. Doch er hat sich einen Traum erfĂŒllt, der ĂŒber Jahrzehnte hinweg zu zerplatzen drohte. Er ist Privatpilot und darf eine Piper PA-28 fliegen.
Behindertengerechte Flugzeugsteuerung
Schon als Kind interessierte er sich fĂŒr Flugzeuge, las BĂŒcher und baute Modelle. 1971 ist er in den Flugsportclub Aschaffenburg eingetreten, hat jede freie Minute auf dem Flugplatz verbracht, âHilfs- und Towerdienste versehenâ, wie er erzĂ€hlt. âIch bin auch als Copilot bei lĂ€ngeren AuslandsflĂŒgen mitgeflogen.â, erinnert er sich. Michael Amtmann hat in den vergangenen Jahrzehnten, noch als Copilot im Team, mehrere Meisterschaften gewonnen. Die Sehnsucht, die Steuerung selbst in die Hand zu nehmen, wurde immer gröĂer. Doch die an der entscheidenden Stelle sitzenden Flugmediziner wollten ihm keine Chance geben. Bis er 1983 nach einer dreitĂ€gigen Untersuchung im flugmedizinischen Zentrum der Luftwaffe in FĂŒrstenfeldbruch endlich fĂŒr die Pilotenlizenz zugelassen wurde. Seine HartnĂ€ckigkeit hat sich ausgezahlt. Dann hat er angefangen, selbst eine behinderungsgerechte Steuerung fĂŒr Flugzeuge vom Typ Piper PA-28 zu entwickeln. 1991 wurde diese zugelassen. âIch bin der erste Deutsche mit einer Behinderung dieser Art, der auf ganz offiziellem Weg die Privatpilotenlizenz bekommen hatâ, sagt er stolz. 1993 hat er zusammen mit anderen Flugbegeisterten die âInteressensgemeinschaft Luftsport treibender Behinderterâ (âDie Rolli Fliegerâ) gegrĂŒndet. Derzeit wĂŒrde er aufgrund von SpĂ€tfolgen der KinderlĂ€hmung nicht fliegen, sagt Amtmann etwas traurig. Er gebe aber die Hoffnung nicht auf, irgendwann wieder am Steuer sitzen zu können. Altersobergrenzen gibt es beim Fliegen keine. Er fĂŒgt noch hinzu: âWer sich fĂŒr unseren Flugsport interessiert, kann sich gerne ĂŒber unsere Website www.rolliflieger.de melden.â
Um den Alltag zu meistern, bekommen Menschen mit Behinderung also umfangreiche Hilfe von auĂen, doch um die eigenen Lebenswerte fĂŒr sich so zu gestalten, wie man sie haben möchte, bleiben sie autarke und selbstbestimmende Menschen.
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